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Es gibt Kunst im öffentlichen Raum, Kunst am Bau und Freie Kunst.
Vorreiter heutiger Kulturpolitiker haben im Zuge der Modernisierung seit der Aufklärung diese Unterscheidung eingeführt. Die Freie Kunst entwickelt sich seither prächtig in Museen, Galerien und Kunsträumen in Stadt und Land. Eine Avantgarde löst die andere ab, der Pluralismus in den Kunstströmungen entsteht. Inhaltliche und institutionelle Verzweigungen und Vernetzungen werden in Deutschland wie in keinem anderen europäischen Land gefördert, schließlich hat sich Deutschland seit Goethe und Schiller zu einer Nation entwickelt, die sich über ihre Kunst- und Kulturgüter definiert. Kunst hat gesellschaftlichen Wert, vor allem Kunst im öffentlichen Raum. Bauherren öffentlicher Gebäude müssen einen bestimmten Prozentsatz der Baukosten in Kunst am Bau investieren, Kunst im öffentlichen Raum hingegen wird durch kommunale Ausschreibungen befördert. Die künstlerische Freiheit allerdings ist weit entfernt. Künstlerische Eigeninitiative ist nicht vorgesehen und Privatbesitzer investieren Unsummen in die Befreiung ihres Besitzes von Graffitischmierereien. So weit der Ist-Zustand. (Was ist, wenn es keine Grenzen gäbe zwischen den Kunstorten, wie es bis zur Aufklärung der Fall war?)
Urbane Kunst blendet diese Grenzen aus. Die Künstler tragen die Freie Kunst in den Öffentlichen Raum, sie malen und ritzen Figuren, wie es die Ureinwohner Europas in Höhlen taten. Sie kleben Plakate wie die alten Römer, befreiten Schablonen von ihrem dekorativen, später politischen Inhalten und installieren Objekte wie der Kleingärtner Gartenzwerge. Sie ergänzen aktiv die Arbeit von Stadtplanern und Architekten, Kommunalpolitikern und Quartiersmanagern, Sozialarbeitern und Kulturbeauftragten, indem sie die Stadt zur Galerie erklären.

Urban Art gibt Stadtteilen ein Gesicht, das freundlich lächelnd zum Gespräch einlädt. Im Gegensatz zu Graffiti, das als popkulturelles Phänomen seit den 1980er Jahren die westliche Welt mit großen und kleinen Schriftzügen (Styles und Tags) und Figuren (Characters) überzieht, deren Bedeutung sich nur Eingeschworenen erschließt und als Sachbeschädigung bewertet gesellschaftlich geächtet wird, spricht urbane Kunst (Urban Art) mit ihrer einfachen Bildsprache den lokalen Kommunikationscode und greift soziale und architektonische Strukturen der lokalen Wirklichkeit auf. Sie bedient sich der Mittel Werbeindustrie, bevor sie auf dem Weg einer offiziellen Kunst-Ausschreibung an Kraft verliert. Urban Art ist Freie Kunst.

Ma´Claim

Man mag kaum glauben, dass eine der bekanntesten Urban Art-Künstlergruppen aus Deutschland, Ma´Claim, 2001 ihre Gründungsstunde in der Klassikerstadt Weimar, an einer Skatehalle hatte. Die Crew-Mitglieder Rusk (Weimar), Akut und Case (Schmalkalden) stammen aus Thüringen, Namensgeber Tasso aus Meerane im angrenzenden Sachsen.

Unsere Art, unser Gebiet, unser Claim

Gemeinsam machten sie sich 2001 auf, die Graffiti-Welt mit ihren photorealistischen Wandmalereien zu bereichern. Auf ihren zahlreichen Reisen realisierten sie Bildkonzepte, die vorher am Rechner entwickelt und Graffoto getauft wurden – eine Revolution für die auf Spontaneität angelegte Graffitiszene. Nach nur einem Jahr widmete das Szene-Magazin Backspin der Thüringer Crew eine Sonderausgabe und seitdem reisen Ma´Claim mit ihren Bildideen um die Welt, waren auf zahlreichen Festivals zu Gast und perfektionierten ihren Photorealismus, bis die ersten Galerien anfragten. Rusk: „Ich bin in Weimar aufgewachsen. Weimar ist eine Kleinstadt, welche eine sehr aktive Szene aufweist. Ich habe auf all meinen Reisen nicht noch einmal eine vergleichbar kleine Stadt mit so einer aktiven Graffitiszene gesehen. Um deutschlandweit bekannt zu werden, war Weimar natürlich nicht die perfekte Stadt, denn nur wenige auswärtige Maler fanden den Weg dorthin. Sollte mich aber nicht stören! Kamen sie nicht zu mir, musste ich also meine Styles zu ihnen bringen. Dafür waren unendlich viele Reisen und Magazine das ideale Mittel.“ Heute reisen vor allem ihre Bilder in dem Buch „Ma´Claim – Finest photorealistic Graffiti“ um die ganze Welt, für das Goetheinstitut sind sie Botschafter für Deutschland und werden nach Los Angeles, Athen und Alexandria eingeladen, um dort zu malen, Ausstellungen auszurichten und Workshops zu geben.

Typism und Blouzaat

Ma´Claim-Mitglied Akut ist gemeinsam mit Typism aus Erfurt der deutsche Teil von Blouzaat – ein deutsch-jordanisches interkulturelles Cross-Media-Projekt zur praktischen Erforschung der urbanen Kunst. Mit ihren Partnern Ahmad Sabbagh und Mohammed Assaf haben sie sich zum Ziel gesetzt durch die Erschließung von Kulturen und Jugendkulturen, Musik und allgemeine kulturelle Praxis eine kreative Gemeinschaft über Kulturgrenzen hinweg aufzubauen. Blouzaat ist das Ergebnis von geteilten Erfahrungen, innovativen Ideen und Identitäten. Es möchte Partizipation und Selbstverwirklichung anregen.
Typism hat in Weimar Visuelle Kommunikation studiert und arbeitet als Grafik-Designer und freier Künstler. In der 1. Klasse drohte ihm die Lehrerschaft mit einem Psychiater, da seine Bilder sehr grafisch und auf Schwarz und Weiß reduziert waren und heute noch sind. Urbane Kunst versteht er als eine Ausdrucksform, um Inhalte und Meinungen zu transportieren. Dabei hilft die Erfahrung aus der Werbewelt, auf die wie er viele Urban Art-Künstler zurückgreifen kann, denn Werbung ist im Unterschied zu Streetart funktionalisierte und in hohem Maße legalisierte und legitimierte Gestaltung von Lebensräumen. Viele Künstler gestalten diese Räume daher zum Einen frei aber auch im Auftrag.

Farbgefühl

Farbgefühl aus Jena beispielsweise ist eine Firma für Auftragsgraffiti und jugendkulturelle Bildung. Sie haben das Foyer des deutschen Patent- und Markenamtes in Jena, das Parkhaus des Asklepios Fachklinikums in Stadtroda gemeinsam mit psychisch kranken Menschen und das ehemalige Polizeirevier gestaltet. Heute leben in dem einstigen Revier Studierende aus aller Welt. Damit sie wissen, an welchen Ort sie leben, haben Michael Pook und Michael Drosdek die Geschichte des Ortes fotorealistisch Ton in Ton mit der Klinkerfassade bildnerisch bewahrt. Neben Auftragsarbeiten ist den beiden Kreativunternehmern die Kulturelle Bildung wichtig. Seit Firmengründen haben sie neben unzähligen Aufträgen auch zahlreiche Workshops für Kinder und Jugendliche gestaltetgeben. Dafür arbeiten sie eng mit städtischen Einrichtungen und freien Kulturzentren wie dem Kassablanca am Westbahnhof, der Jungen Gemeinde und dem Jugendclub Hugo in Winzerla zusammen. Gemeinsam mit dem Streetworker Kaktus vom Hugo bemühen sie sich um die Bereitstellung legaler Flächen, die aus ihrer Erfahrung sehr gut angenommen werden. Egal ob Workshop oder Auftrag, der Zuspruch der Passanten ist groß und die Künstler und Laien nutzen rege die legal bereit gestellten Wände am Kassablanca, die eigentlich Züge sind, im Sommerweg und am Jenaer Kaufland. Die beiden (Farb-) Gefühlmenschen stellen allerdings immer und immer wieder fest, dass viele Ihrer Workshopteilnehmer zu Beginn meinen, sie könnten nicht malen. Zum Ende der Workshops wendet sich meist das Blatt und es werden stolz Bilder der eigenen künstlerischen Arbeit fotografiert.
Michael Pook: „Wir machen etwas, das Andere gern machen würden: Selbstverwirklichung.“ – sowohl persönlich als auch bei der Gestaltung des Lebensraums.

Web:
www.maclaim.de
www.typism.de
www.blouzaat.com
www.farbgefuehl.net

Literaturtipps:
Kristin Klitzke/Christian Schmidt: Street Art – Legenden zur Straße. Berlin, 2009.
Falk Lehmann/Stefan Petermann: Ma´Claim – Finest Photorealistic Graffiti. Mainaschaff, 2006.

Maxi Kretzschmar im Kulturjournal Mittelthüringen 04/2011

Kritische Auseinandersetzung mit dem Forschungs- und Bildungskonzept der Klassik-Stiftung Weimar hinsichtlich der Bildungsarbeit

Die Sattelzeit der Moderne
Die Modernisierung der europäischen Gesellschaft hat die Aufklärung, Sturm und Drang, Klassik und Romantik (Sattelzeit) ausgehend vom französischen und deutschen Kulturraum als Bezugsparadigmen: Die Aufklärung ebnet den Weg zur Säkularisierung, indem sie Argumentationsstrukturen verweltlicht, Glaube durch Erfahrung ersetzt und damit die Grundlage für weltliche Philosophie liefert. Ausgehend von den Philosophen, die auffällig oft Söhne protestantischer Pfarrer sind, ebnet sich die funktionale Differenzierung der Gesellschaft ihren Weg über die absolutistischen Herrscher hin zum Einzelnen, lost das geburtsständische Prinzip ab und verändert damit grundlegend das Menschenbild und damit die sozialen Interaktionsgepflogenheiten und -Möglichkeiten. Das Bürgertum macht seinen ehemals ausschließlich finanziellen Einfluss durch Bildung und Leistung geltend. „Ich denke, also bin ich.“ Die neuen bürgerlichen Funktionseliten organisieren sich in Sozietäten, Lesegesellschaften und Geheimbünden wie der Freimaurerloge und bauen damit ein sich zunehmend weit verzweigtes kommunikatives Netz durch mehrere Zugehörigkeiten auf. Die intermediale Vernetzung folgt in logischer Konsequenz. In der Klassik und dem Sturm und Drang werden Philosophen zu Literaten, Literaten zu Theaterdramaturgen, Dramaturgen zu Prinzenerziehern, Prinzenerzieher zu Vätern – kurz: Sie wechseln ihre gesellschaftlichen Rollen bedarfsorientiert. Sie nehmen sich die Freiheit, die Religion konsequent durch politisches Handeln, Kunst und Kultur zu ersetzen, lösen die Polemik von Religion und Philosophie auf und stellen damit der Philosophie mit der Kultur ein weiteres Säkularisat zur Seite, um die Aufklärung konsequent und lustvoll voranzutreiben und die Glaubenslücke, die vormals durch Religion gefüllt war, mit Sinn zu füllen und so über Kultur nationalen Identifikationswert zu stiften. Religiöse idealistische Geschichtsschreibung wird durch kulturelle Sinngeschichtsschreibung Schritt für Schritt abgelöst. Die Romantiker unterstützen diesen Prozess mit dem Rückbezug auf Themen der mittelalterlichen Kultur, indem sie deutsche Volksmythen in Sagen und Liedgut ins Zentrum des Schaffens stellen, gleichzeitig aber die deutsche Sprache und das Bürgertum fokussieren. Die Romantik liefert damit die Grundlagen für unser gegenwärtiges Selbstverständnis als Privatmenschen und öffentlichen, das heißt politischen Menschen sowie dem Verständnis von sozialen und gesellschaftlichen Strukturen. Die romantische Integration von Kunst und Kultur in das alltägliche Leben hat die Modernisierung ins Private und damit in die Mitte der Gesellschaft getragen. Religion als einziger Bezugsrahmen und Konstante wurde innerhalb eines Zeitraums von weniger als 150 Jahren aufgelöst und die Basis für das wertende, empfindende, denkende Individuum gelegt. Seither ist Fortschritt und Scheitern jedes Einzelnen möglich, der frei, absichtsvoll und damit selbstverantwortlich entscheidet und handelt.

Kritik an der Aufklärung:
Die Aufklärung hat ihren Ausgang bei standesübergreifenden Funktionseliten, die die Säkularisierung vorerst ideologisch motiviert vorantrieben und ebenso gezielt wie die christliche Religion eine Trennung von Geist und Materie, eine Trennung von Verstand und Emotionen forcierte, dabei aber dem Verstand mehr Bedeutung beimaß.
Damit negiert die Aufklärung Persönlichkeits- und Geschlechterdifferenzen und liefert keine Antworten auf Genderfragen und Fragen die menschliche Psyche betreffend. Die Akteure der Klassik und Romantik haben Kunst und Kultur als Korrektiv dieses Missstandes weiterentwickelt, das auch heute in seiner freien Ausübung noch zu wenig Anwendung findet.
Den Menschen und seine sozialen Aktivitäten ausschließlich vernünftig, das heißt schlussendlich systemtheoretisch, zu betrachten, ist die Ursache für unsere gegenwärtigen gesamtgesellschaftlichen Probleme, die konsequent individuelle Bedürfnisse missachtet und dem Individuum schlussendlich eine „Planstelle“ im angenommenen System der Gesellschaft zuweist, statt von individuellen Bedürfnissen ausgehend Gesellschaft partizipativ zu gestalten. Die Errungenschaften der Aufklärung ersetzen das religöse Korsett durch das vernünftige Korsett – der Mensch ist mehr! In einer Zeit, in der sich heraus gebildete Ich-Identitäten Fähigkeiten der Selbstreflexion auf ihrem Bildungsweg aneignen, romantische Familienmodelle sich selbst überholen, Grenzen zwischen Wissen und gesellschaftlichen Systeme maximal durchlässig erscheinen und die Möglichkeiten der freien Kulturproduktionen und der Kunstrezeption durch das überstarke wirtschaftliche System und den damit verbundenen Konsequenzen für Kunst und Kultur sukzessive eingeschränkt werden, erscheint es unverantwortlich die individuelle Psyche und Gefühlswelt ins System der Intimität abzuschieben und somit aus dem gesamtgesellschaftlich Bezugssystem auszuklammern. Die reine Vernunft darf niemals siegen! Denn ihr ist Empathie unbekannt. Empathie hingegen ist die Basis für gelingende Kommunikation, reflektierte das heißt selbstständige Entscheidungen und insbesondere der Krisen- und Konfliktbewältigung sowohl innerhalb des Systems „Mensch“ als auch innerhalb des gesellschaftlichen Systems. Daher kann eine Pädogogik, die ausgehend von der Aufklärung kulturelle Bildung ausschließlich zu Erziehungszwecken hin zur Vernunft instrumentalisiert und so ausschließlich kognitives Wissen ins Zentrum des Interesses stellt, nicht zur Bewältigung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen angesehen werden. Dass haben auch Goethe und Schiller verstanden und insbesondere Schiller verlieh in seinen Briefen über die ästhetische Erziehung konsequent der allgemeinen Persönlichkeitsbildung mit ästhetischen Mitteln Nachdruck.

Kritik am Bildungs- und Forschungskonzept:
Auch wenn die Klassik eine kulturelle Identität der deutschen Nation hervor gebracht hat, kann dies im Zeitalter globaler Handels- und Kommunikationsnetzwerke keine Orientierung mehr haben. Nationen sind ausgehend von Frankreich eine Erfindung des 18. Jahrhunderts -seinerzeits angemessene Strategie der Problembewältigung erscheinen sie heute wie auch andere Universallösungen obsolet. In einer Zeit, in der ausgehend von der künstlerischen Avantgarde des Dada und des Kubismus wie nie zuvor das Prinzip Collage in alle sich immer weiter verzweigende gesellschaftliche Subsysteme eindringt und die funktionaldifferenzierte Gesellschaft zur Realität geworden ist, definiert sich kein aufgeklärtes und empathisches Individuum über seine Nation, sondern vielmehr über sich selbst, seinen freien Willen, Individualität, Integrität und seine Peergroup. Die einende Kraft von Nationen, die später durch das Wirtschaftssystem ersetzt wurde, ist verpufft. Nicht umsonst legt die EU zahlreiche Förderprogramme auf, die die kulturelle Identität, die reflektierte Eigentätigkeit und interkulturelle Kommunikation fördern sollen. Identitätsstiftung muss beim Individuum und seiner Integrität ansetzen und erst in einem zweiten Schritt die Integration in Systemen beleuchtet werden. In der Pädagogik heißt das Zielgruppenorientierung, Kritiker schreiben Anarchie darüber. Wie in der modernen funktioal-differenzierten Gesellschaft eine Universal-Ethik ausgeschlossen ist, kann auch kein anderes System als universelles System anerkannt werden. Wie die Dichtung im 18. Jahrhundert die Störung vermeintlich sicheren Wissens zum Ziel hatte, kann ein kultureller Bildunganspruch der Klassik-Stiftung kein anderes Ziel verfolgen, ohne sich selbst und die Errungenschaften des Kosmos Weimar in Frage zu stellen.
Die im Forschungs- und Bildungskonzept 2010 enthaltenen Anmerkungen zu den Zielgruppen und daraus abgeleiteten Konsequenzen müssen in Teilen als Farce verstanden werden, wenn beispielsweise Willen bekundet wird, „die oftmals heterogenen lebensweltlichen Erfahrungen offensiv in den Blick“ zu nehmen und „Vorbehalte ebenso wie Verständnisbarrieren“ zu überwinden, im selben Atemzug allerdings ernsthaft die vorgeschlagene Frage „Wie viel Bürgertum steckt im Schloss?“ ausschließlich hinsichtlich der Zielgruppe kritisiert wird. Die Zielgruppe sind hier Schüler und Schülerinnen im Alter von 11 und 12 Jahren.
Dass Vermittlung kognitiven Wissens und Handlungswissens als Spagat verstanden und mit nötigem Respekt behandelt wird, leuchtet ein. Die Kulturelle Bildung, die Soziokultur und die Sozialpädagogik haben hier funktionale Methoden entwickelt, die reflektiert und bei konsequenter Beachtung der zielgruppenspezifischen Bedürfnisse zum Einsatz kommen müssen, um nicht in ihrer Wirksamkeit an Kraft zu verlieren. Dann könnte der Satz „In diesem Kontext können niedrigschwellige Angebote erste Zugänge eröffnen und damit den Grundstein für eine vertiefende Auseinandersetzung mit den in Weimar präsenten kulturellen Überlieferungszusammenhängen legen.“ auch eingelöst werden.
Mit Blick auf Schüler und Lehrer wird im Forschungs- und Bildungskonzept im deutschen Bildungswesen „tiefgreifende Transformationsprozesse“ und pädagogisch-didaktische Reformen benannt. „So wird etwa dem handlungsorientierten und fächerübergreifenden Lernen und außerschulischen Projekten ein immer höherer Stellenwert zugemessen. Zunehmend etabliert sich eine Lernkultur, die den kulturellen und sozioökonomischen Veränderungen im Gefolge der Globalisierung Rechnung trägt.“ Schulklassen soll eine projektorientierte, selbsttätige und kreative Annäherung an die Weimarer Klassik und das Bauhaus eröffnet werden, mit dem Ziel des nachhaltigen Wissenserwerb und Erwerb von Schlüsselkompetenzen. Dabei sollen insbesondere Schüler und Schülerinnen aus Förderzentren, Haupt- und Regelschulen vor allem mit Ausdrucks- und Kommunikationsformen der Jugendkultur angesprochen werden, obwohl auch 2011 Jugendkulturen „standesübergreifend“ sind. Die Klassik Stiftung wird in den nächsten Jahren niedrigschwellige Angebote entwickeln, dafür braucht es einschlägig erfahrene Pädagogen.
Diesen Absatz unterschreibe ich ohne Widerrede, sobald die Wege geebnet werden, diesen Anspruch einzulösen. Heute sind das reine Willensbekundungen – nicht hinreichend eingelöst. Aber um den Bogen zum Bauhaus aus Weimar zu spannen: Form follows function.
2011 gilt „Form follows content“.

Ein Rektor schreibt Geschichte

150 Jahre zur Bauhaus-Universität Weimar – eine lange Geschichte mit Höhen und Tiefen, mit Kunst und Technik, mit Bauen und Gestalten. Gerd Zimmermann, der Rektor der Bauhaus-Universität, schreibt die Geschichte seit 40 Jahren mit.

In einem Interview beschrieben Sie die Bauhaus-Universität heute als „Serie von Paradoxien“. Können bzw. wollen Sie diese auflösen oder zumindest erklären?

Paradoxien in so fern, als hier scheinbar unvereinbare Welten verankert sind, die im Raum der Bauhaus-Universität ihre Verwandtschaft suchen : Einerseits das Antiakademische, das der Name „Bauhaus“ mitführt, andererseits die Konditionen einer Universität, einerseits die Kunst, andererseits die Wissenschaft. Es geht nicht darum, Paradoxien aufzulösen, sondern darum, eine Vielgestaltigkeit zu stiften, die nur möglich ist, wenn man Widersprüche aushält und diese produktiv macht. Die Universität kann dann in der Tat ein Ort „unmöglicher Begegnungen“ sein.

Herr Zimmermann, an welche dieser Paradoxien knüpfen Sie als Rektor der Universität heute an?

Die Bauhaus-Universität verbindet die zwei Geschichten der Kunsthochschule einerseits und der jüngeren der Technischen Hochschule des Bauens. Diese beiden Geschichten sind im Szenario der heutigen Universität eingefangen, erweitert um die reflexive Dimension der Kultur- und Geisteswissenschaften, vornehmlich als Medienwissenschaft.

Erinnern Sie sich an Ihre Zeit als Student in Weimar: Sie promovierten 1974 auf dem Gebiet der Architekturtheorie an der Hochschule für Architektur und Bauwesen. Beschreiben Sie Ihren Studienalltag.

Das war schön! Ich habe 1965 begonnen, Architektur zu studieren. Der Studienalltag war spannend und anspruchsvoll, er war komplett ausgefüllt. Die Vorlesungen, Übungen, vor allem die zeichnerischen Arbeiten, Freihandzeichnen und die Entwurfsarbeit fanden Tag und Nacht statt. Genau so wie heute, allerdings mit anderen Werkzeugen. Computer gab es noch nicht. Unsere Werkzeuge waren der Bleistift, der so genannte Lineator (eine Ziehfeder), Reißschiene und Winkel, aber auch Schreibmaschine und „Ormig“.

Wie haben Sie die Hochschulreform 1968 erlebt?

Als Student in einer lebendigen und zugleich sehr kritischen Atmosphäre. 1968 war auch in der DDR eine kontroverse Zeit. Durch das politische Tauwetter war für einen Moment relative Offenheit gewonnen worden. Stadtutopien z.B. die doch immer auch gesellschaftliche Visionen bergen, hatten Raum, auch wenn sie sehr schnell an der Wirklichkeit zerschellten. Ich habe die 60er als Zeit des Aufbruchs in Erinnerung, auch mit neuen technischen und wissenschaftlichen Ansätzen, trotz der latenten politischen Restriktionen.

Gehen wir nochmals 100 Jahre zurück: 1860 – Sie in Weimar. Bleiben oder gehen?

Eine interessante Vorstellung, vielleicht hätte ich gezeichnet, gemalt. Ich bin jedenfalls froh, dass heute an der Bauhaus-Universität das Bild eine prominente Rolle spielt, sei es der Film, oder eben auch die Malerei.

Mit der politischen Wende 1989/1990 setzte ein Prozess des Umbaus der Universität ein. Sie wurden zum Professor für Entwerfen und Architekturtheorie berufen und im gleichen Jahr zum Rektor gewählt. Ihre erste Amtshandlung?

Das war im November 1992… Ich übernahm die Amtskette und ich hielt eine Antrittsrede. Damals habe ich das Konzept einer Universität skizziert, die das Bauen und das Gestalten in sich eint, die sich konzeptuell, aber nicht als Imitation auf das Bauhaus bezieht und die den ökologischen Umbau der Gesellschaft betreibt.

Ihre Amtszeit als Rektor geht in das letzte Jahr, Sie haben fast 40 Jahre Universitätsgeschichte mitgeschrieben. Wie haben Sie zur Fortschreibung der Geschichte beigetragen?

Das müssen irgendwann Andere beurteilen. Wir leben ja in einer Welt tiefgreifender Umbrüche. Universitäten als Schlüsselinstitutionen der Wissenschaften und Künste müssen dies verstehen und gestalten. Mein Ziel war und ist, die Bauhaus-Universität derart aufzubauen, dass sie wie ein Seismograph der Moderne funktioniert, am Puls der Zeit gewissermaßen. Ihr Beitrag dann erwächst aus der einzigartigen Konstellation, der Oszillation zwischen Wissenschaft und Kunst. Und das muss natürlich jeden Tag neu gedacht werden.
Scientific Communities waren immer schon und sind heute erst recht weltumspannend. Gerade für die Bauhaus-Universität, die doch ein globales Label vertritt, ist diese Internationalität, von Europa nach Tokyo, Shanghai, San Diego und Chicago – und zurück – ein Lebensnerv. Mir ist dies jedenfalls wichtig. Und dann die Rückwirkung auf den Ort, auf Weimar und Umfeld, z.B. durch Einrichtungen wie das Transferzentrum Design, die Gründerinitiative Neudeli oder die Universitätsgalerie Marke.6 im Neuen Museum, nicht zu reden davon, dass die Bauhaus-Universität der größte Arbeitgeber der Stadt ist und Weimar vor allem durch seine Hochschulen nach dem Bevölkerungsdurchschnitt nach Jena die zweitjüngste Stadt Thüringens ist.

Was zählen Sie zu den größten Errungenschaften seit ihrem ersten Tag an der Universität?

Sagen wir, in fünfzehn Jahren als Rektor die Grundkonstruktion eines neuen Bauhauses, eines Bauhauses in der digitalen Kultur.

Welche „Entwürfe“ haben Sie noch in petto?

Ich nenne Ihnen mal ein paar Stichworte: „Professional School“ in der Universität, Gründerzentrum für Kreativwirtschaft in Weimar, „Science City“ in Weimar, Filmfestival Weimar, Internationale Bauausstellung (IBA) in Thüringen bis 2019.

2009 feierte die Universität die Gründung des Bauhauses in Weimar im Jahr 1919. 2010 wird die Geschichte zur Bauhaus Universität um 60 Jahre verlängert. Was wünschen Sie der Alma Mater?

Die zwei Daten markieren zwei Neuanfänge: Die Gründung der Kunstschule 1860 war ein Neuanfang, die Bauhaus-Gründung sowieso. Ich finde es wichtig, dass wir in der Lage sind immer wieder neu zu beginnen, was ja nicht bedeutet, die Geschichte zu verwerfen, wohl aber, sich nicht an sie zu klammern. Darauf kommt es an: Immer nach vorne denken, die zukünftigen Notwendigkeiten heute plastisch verstehbar machen und entsprechende Konzepte entwickeln. Wir sollten Avantgarde sein. Das wünsche ich der Bauhaus-Universität auch in Zukunft.

Wir wünschen viel Erfolg und alles Gute für die nächsten 150 Jahre!

Maxi Kretzschmar im Kulturjournal Mittelthüringen 05/2010: Wein und Kultur – in der Toskana des Ostens

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Online bleibt sie an Ort und Stelle.

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Ideen, an die Du glaubst

Die Musikszene Thüringens mausert sich. Nach Walter von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Franz Liszt und der Musikerfamilie Bach gestalten junge Musiker wie die Pentatones, Feindrehstar, Clueso und die STÜBAphilharmonie die Musiklandschaft in Thüringen.

Der musikalische Nährboden ist über Jahre gewachsen. Der Musiker Le Schnigg von der Weimarer Band Pentatones beschreibt die Situation: „Es sind einfach etliche gute Leute da geblieben oder nie mehr aus Thüringen weggekommen. Gleichzeitig sind die Wege so kurz, dass man gar nicht umhin kommt, diese guten Leute früher oder später zu treffen. Besonders in der elektronischen Musik, aber auch im Hip-Hop passieren auf diese angenehm ungezwungene Weise seit Jahren total spannende Sachen, die andernorts so nie stattgefunden hätten.“

Das SonneMondSterne-Festival – eines der größten Open-Air-Festivals elektronischer Musik in Deutschland – ist so eine Idee. 1997 mit ca. 1500 Besuchern erstmals über die Bühne gegangen, lockt das SonneMondSterne am zweiten Augustwochenende mehrere 10.000 Besucher nach Südostthüringen an die Bleilochtalsperre zum Feiern, Baden und Abschalten vom Alltag. Zwischen Wasser, Bergen und dem Thüringer Wald werden Zirkuszelte zu Dancefloors, Felder zu Zeltplätzen und Gästeschiffe zu Partybooten.
Als Schaufenster für die Szene zeigt die Agentur Seekers mit dem SonneMondSterne Jahr für Jahr mit Klassikern und Newcomern die Vielfalt elektronischer Musik. Das Lineup reicht 2010 vom britischen Elektronik-Duo Underworld bis zur deutschen Vorzeige-Band Die Fantastischen Vier, von dem deutschen Techno-Pionier Sven Väth bis zur Jenaer Krautclub-Band Feindrehstar.
Die Mitarbeiter der Jenaer Agentur um Rico Tietze hören privat elektronische Musik und wuchsen in einer Zeit auf, in der sie in Turnhallen, Kellern und ehemaligen Ställen im grünen Herzen Deutschlands tanzten. Ein Open Air musste her. Angefangen als eine Eintages-Veranstaltung entwickelte sich das SonneMondSterne zum wichtigsten Termin in der deutschen Elektro-Szene. Doch das familiäre Gefühl blieb: Für die Künstler ist das Festival mehr Ferienlager mit alten Freunden als Arbeit unter Kollegen. So wie die Künstler sind auch die Macher des SonneMondSterne mit Clubs, Platten-Labels und Agenturen vernetzt. Eine Sonderrolle in dieser Liste nehmen die Muna in Bad Klausterlausnitz, das Kassablanca in Jena und das Plattenlabel Freude am Tanzen ein.

Als Zentrum für Jugend- und Soziokultur 1990 gegründet, entwickelt sich das Kassablanca schnell als Geheimtipp in der Szene und unter Jenaer Jugendlichen. Eine Odyssee durch das Jenaer Zentrum brachte das Team schlussendlich in das heutige Domizil direkt am Bahnhof Jena West. Mit Mitteln des Thüringer Kultusministeriums und der Stadt Jena konnte das Areal nutzbar und durch den Ausbau des Eisenbahnturms, einem ehemaligen Lokschuppen und zahlreichen jetzt bunt bemalten Züge erweitert werden. Das Vereinsmitglied Thomas Sperling beschreibt den Klub-Aufbau als „hart, aber machbar“, spätestens wenn der Klub läuft, sei eine klare Aufgabenteilung notwendig. Viele anfangs passiv Konsumierende wechseln in die aktive Rolle. Thomas Sperling vergleicht den Prozess mit einem Samen, der in die Erde gegeben und gegossen wird. „Manche wachsen, manche nicht und manche wachsen über uns hinaus. Wir bieten Chancen, sich auszuprobieren.“
Die heutigen Labelbetreiber von Freude am Tanzen haben 1997 mit selbst organisierten Veranstaltungen im Kassablanca begonnen, bevor sie 1998 ihr Label gründeten und 2001 ihren Plattenladen in Jena eröffneten. Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte: 2003 der erste Überraschungserfolg MK 006 von Robag Wrumme. Thomas Sperling: „Labelmacher sind Bauchmenschen. Am Ende entscheidet die Musik.“ Mit dem ersten Album der Band Feindrehstar im Sommer bei dem Schwesterlabel Musik Krause und im Oktober 2010 mit seiner 50. Veröffentlichung feiert das Label 2010 sein zwölfjähriges Jubiläum. Mit Feindrehstar schließt sich der Kreis der Thüringer Elektro-Szene: Erste Auftritte im Kassablanca, SonneMondSterne-Auftritt im Augst 2010 und das Album-Release bei Musik Krause – auch eine Idee, an die Feindrehstar glauben.

In Erfurt trägt die Ideenschmiede für junge Musik einen Namen: Zughafen. Der Zughafen ist ein freies Netzwerk von Künstlern, Organisatoren, Firmen und Projekten mit Sitz im alten Erfurter Güterbahnhof. Ausgehend von mehreren Musikstudios und einem Team um den Künstler Clueso hat sich der Zughafen zu einem Anziehungspunkt kreativer Köpfe entwickelt – unter ihnen: Marbert Rocel, Makabu, und die STÜBAphilharmonie. Die STÜBAphilharmonie ist ein Verein zur Förderung der Musik in Thüringen. Unter der musikalischen Leitung von Martin Lentz aus Weimar begleitet das Sinfonieorchester musikalisch Puppenspielaufführungen oder auch Clueso bei Live-Konzerten. Im Unterschied zu anderen Künstlern, die ihre Songs mit Sinfoniearchestern interpretieren, werden die Songs bei Clueso und STÜBA gemeinsam arrangiert und geprobt. Die Weimarer Musikstudentin Lorina Mattern beschreibt die Zusammenarbeit: „Wir sind kein Beiwerk oder Show, sondern musizieren gemeinsam.“ Ob als Weckdienstbeauftragter oder Dirigent, Auktionsleiter, Busfahrer oder DJ – bei STÜBA sitzen nicht nur alle in einem Boot, sondern jede/r rudert mit.

In Weimar befindet sich der musikalische Hafen im Gaswerk. Das Gaswerk, die Design- und Projektwerkstatt in der Schwanseestraße, ist ein Paradebeispiel eines soziokulturellen Zentrums in Thüringen. Seit seiner Gründung 1998 vereint es soziale und kulturelle Aspekte auf vielfältigste Art und Weise. Das Jahresprojekt Salon Pink beispielsweise knüpft an die Salonkultur des 18. und 19. Jahrhunderts um den Jenaer Salon an und bietet jungen Talenten eine Bühne, auf der sie lesen, musizieren und performen können. Die Projektleiterin Canan Yilmaz will „bestehende Dinge aufgreifen und in seiner Zeit weiter bearbeiten“. Ihr geht es um den Mix aus festen und spontanen Programmpunkten. Sie will „offen bleiben für Spontanes“ – das zeigt sich auch bei den monatlichen Terminen des Salons. Unter dem Titel „Zuhören, Wundern, Selbst Erzählen“ lädt der Salon Pink zum ”Bühnenbild ohne Stück” ein. Da treffen beispielsweise Texte des Berliner Design-Kollektivs Schroeter und Berger auf musikalische Spuren von Le Schnigg von den Pentatones. Beide laden das Publikum zu eigener künstlerischer Tätigkeit auf den offenen Bühnen ein. So werden die Grenzen zwischen Produzent und Konsument und die zwischen den Künsten durchlässig. Eingebettet in eine Ausstellung aus Malerei, Grafik, Fotografie und Medienkunst spürt man den Atem der Caroline Schelling, Salonière des frühromantischen Jenaer Salons.

So gesehen ist ganz Thüringen ein Salon, wo mehr Freunde als Kollegen miteinander arbeiten, Klubs und Labels betreiben, Festivals und Konzerte organisieren, selbst Musik machen oder dem musikalischen Nachwuchs eine Bühne bieten. Salon Thüringen – Die Musikfabrik!

Maxi Kretzschmar im Kulturjournal Mittelthüringen 04/2010: Mit Pauken und Trompeten – Musik in Mittelthüringen

Mehr Informationen unter
www.sonnemondsterne.de
http://kassablanca.de
www.freude-am-tanzen.com
www.feindrehstar.de
www.zughafen.de
www.clueso.de
www.stueba.de
www.schwansee92.de

Die Wiener machen´s vor:

Guerrilla kommt aus dem Spanischen und bedeutet ‚kleiner Krieg’. Auch wenn der Kampf der Gehsteig-Guerrilleros ein friedlicher ist, so ist es dennoch ein lautes Aufbegehren gegen bürokratische Hürden, unreflektierte Verhaltensgewohnheiten und ein Aufruf zu mehr Toleranz und Rücksichtnahme im öffentlichen Raum. Deshalb laden die Gehsteig-Guerrilleros am 28. Mai zum GehsteigFESTIVAL in der Großen Neugasse 6-8, um gemeinsam mit Freundinnen und Freunden das Potenzial unseres Stadtraums auszuloten und mit Nutzungen zu experimentieren.

So vieles ist möglich! Die Straße bleibt befahrbar, der Gehsteig begehbar und doch ist Raum für mehr. Der Asphalt wird zum Catwalk, die Parkplätze zu Spielplätzen und das Pflaster zu deiner Oase!

Serviervorschlag:
1. Nimm einen Sessel, oder irgendetwas, auf dem du dich wohl fühlst!
2. Geh raus und such dir einen schönen Platz am Gehsteig!
3. Sei rücksichtsvoll und lass ausreichend Platz für andere!
4. Genieße die Zeit im Freien und lerne Menschen aus der Umgebung kennen!
5. Mach deine Stadt zum Wohnzimmer!

Mehr Informationen unter www.facebook.com

Ach, wie schön!
Ein Kongress zum Fake mit den tollsten Referenten: Alf Thum, Alain Biber, Marc Amann und den Machern von Ubermorgen.com. Und dann auch noch in Leipzig: in der tollsten Mensa im Westwerk.

16. bis 18. April 2010
Mehr Informationen unter www.brimboria-kongress.net

Das geradezu simple Konzept geht auf: Günstige Mieten, wenig Bürokratie, ein hohes Maß an Eigenleistung und die Lage am Goetheplatz ziehen kreative Unternehmen in Weimars Zentrum. Seit Oktober 2009 wächst das kreative Ballungszentrum Kreativetage – ein Projekt des e-werk weimar e. V. – und bietet Jungunternehmen kostengünstige Bürostandorte.
Eines von ihnen ist das Designbüro Rugwind. Henriette Gruber, Karsten Guth und Nils Volkmann entwickeln nachhaltiges und soziales Design. Die Palette reicht von Ausstellungskonzepten, die über den Klimawandel aufklären, über die Gestaltung von Stadtmöbeln bis hin zu einem Softwarekonzept zur Bestimmung von Pflanzen auf dem Handy für Naturliebhaber und Stadtnomaden.
Gleich daneben hat der Illustrationsautomat ILLUMAT seine Heimstatt gefunden – wenn er nicht gerade auf Comic- und Skizzenfestivals, Stadtteilfesten und Buchmessen im Einsatz ist. Durch Einwerfen eines Coupons können sich Passanten etwas wünschen, das vom ILLUMAT in Minutenschnelle zeichnerisch umgesetzt wird. Die fertige Illustration wird vom Automaten ausgeworfen und kann nach Hause mitgenommen werden. Die Zeichenmaschine wurde 2007 von Illustrationsstudenten und -absolventen der Bauhaus-Universität gegründet.
Eine der Konstrukteure ist Rosa Linke. Sie hat Visuelle Kommunikation in Weimar und Belgien studiert. Seit 2008 ist sie Diplomdesignerin und illustriert für Magazine, gestaltet Bücher und ist als Freie Grafikerin auf der Kreativetage ansässig.
Der Thüringer Augenzeuge Johannes Romeyke arbeitet als Videojournalist. Er entwickelte vor drei Jahren das Videoportal der Thüringer Allgemeine Zeitung. Darüber hinaus plant und realisiert er mediale Installationen für Ausstellungen und Museen.
Eine Tür weiter ist das Grafiker-Team Olivia Vieweg und Michael Möller aktiv. Die Illustratorin Vieweg wurde vor allem mit ihren Katzenbüchern bekannt, Möller arbeitet für große deutsche Comicverlage und verlegt außerdem seit etwa zehn Jahren Independent-Comics in dem Kleinverlag Schwarzer Turm.
Am 16. April 2010, 13.00 Uhr öffnen alle 24 Nutzer der Kreativetage ihre Büros und Katja Schäfer und Christoph Schaffarzyk vom e-werk e. V. stellen das Konzept vor.

Kreativetage, Goetheplatz 9b, 99423 Weimar
Mehr Informationen unter kreativetage.blogspot.com

Maxi Kretzschmar im Rathauskurier Weimar 07 2010

Nach dem ersten Thüringer und bundesweit letztem Kulturwirtschaftsbericht, Wahlversprechen und zahlreichen Diskussionsrunden zwischen Politikern und Kreativen ist es Zeit, Licht und Lupe auf ein aktuelles Projekt zur Unterstützung von Kunst- und Kulturschaffenden in der Region zu richten – die Kreativetage am Weimarer Goetheplatz.

Die Produktdesigner von Rugwind sind die Neuen und beziehen den größten Arbeitsraum mit 30 qm. Sie wollen „im Netzwerk bleiben“, so Diplomdesignerin Henriette Gruber beim Malern. Gemeinsam mit ihren beiden Partnern entwickelt sie nachhaltiges Design. Dabei reicht die Palette von der Gestaltung von Stadtmöbeln über Ausstellungskonzepte, die über den Klimawandel aufklären, bis hin zu einem Softwarekonzept zur Bestimmung von Pflanzen auf dem Handy für Naturliebhaber und Stadtnomaden. Ihre Losung „Mitmenschlich, nachhaltig und erfinderisch!“ passt ebenso gut zu ihrem neuen Firmensitz.
Der kreative Ballungsraum bietet Unternehmen, Künstlern, Architekten, Filmschaffenden, Illustratoren, Verlagen, Grafik- und Produktdesignern kostengünstige Bürostandorte mitten im Zentrum Weimars. Und hierfür herrscht in Weimar dringender Bedarf!
In der Kreativetage wird der Netzwerkgedanke groß geschrieben. Die meisten Mieter kennen sich ohnehin über drei Ecken und haben nicht selten bereits gemeinsame Projekte realisiert. Dass nun die Existenzgründer für ihr Unternehmen die passenden Arbeitsräume und die kreative Klasse Weimars einen Ort gefunden hat, geht auf die Initiative des e-werk weimar e. V. zurück. Vereinsmitglied und Kulturarbeiterin Katja Schäfer wollte im vergangenem Bauhausjahr an Ort und Stelle ein Künstlerwohn- und Atelierprojekt starten, das einerseits Gäste während ihres Aufenthalts in der Kulturhauptstadt beherbergt und andererseits den Weimarer Kreativen Arbeitsraum bietet. Allerdings gab die Bauordnungsbehörde das Gebäude nur zu Arbeits- und nicht zu Wohnzwecken frei. Katja Schäfer entwickelte daraufhin das Konzept der Kreativetage. Diese Pläne stießen bei Till Hafner, Referent des Weimarer OB Stefan Wolf, auf offene Ohren. Schließlich gehört das Gebäude der Stadt und Hafner ist für Wirtschaftsförderung zuständig. Er sieht in dem Projekt Möglichkeiten, Unternehmerinnen und Unternehmern, die häufig direkt aus der Bauhaus-Universität in den Beruf starten, optimale Wachstumsbedingungen für ihre Vorhaben zu schaffen und das kreative Netzwerk zu stärken.
Das war im Herbst 2008. Es folgte die betriebswirtschaftliche Prüfung seitens der Verwaltung, Überzeugungsarbeit im Stadtrat und die Netzwerkarbeit seitens des Vereins. Im Oktober schließlich 2009 zogen die ersten Mieter ein und seit März 2010 ist auch der dritte Wachstumsschritt der Kreativetage vollzogen und alle freien Räume im Gebäude sind vergeben. Der Diplomkünstler Christoph Schaffarzyk, selbst Nutzer der „Zwischennutzungsagentur“, ist ständig als Ansprechpartner vor Ort, um zwischen Kommunalverwaltung und Nutzern zu vermitteln. Dass es ein Kulturschaffender ist, der sich um die Belange der Mieter kümmert, ist Hafner dabei besonders wichtig. Denn Niemand kennt die Belange der Mieter besser als Jemand, dessen Atelier in kreativer Nachbarschaft zu Rugwind und den anderen 23 Unternehmen, Klein- und Kleinstunternehmen liegt.

Das Wichtigste zum Schluss:
Miete 5,60 €/qm inkl. Nebenkosten und Internet
16 Räume mit 10 bis 30 qm und eine Teeküche
Kündigungsfrist: 2 Wochen
Tag der Offenen Tür am 16. April 2010, ab 13.00 Uhr

Mehr Informationen unter kreativetage.blogspot.com

Maxi Kretzschmar in hEFt für literatur, stadt und alltag, April 2010, Zeit für Übergangsjacken

Sowohl die Bundesregierung als auch das Thüringer Wirtschaftsministerium haben den Kulturbetrieb inzwischen als einen ökonomischen Wert entdeckt. Neue Berater sollen den freien Markt unterstützen. Der Start einschlägiger Initiativen verläuft aber sehr unterschiedlich.
„Wir sind nicht die Typen mit vollen Hosentaschen“, sagt Katja Großer. Und Christian Rost ergänzt: „Wir sehen uns eher als niederschwellige Ansprechpartner.“ Die beiden sind Kulturberater und leiten seit Februar von Dresden aus das nagelneue Regionalbüro der sogenannten Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft. Hinter dem bürokratischen Titel steht ein Projekt von Bundeswirtschaftsministerium und Bundeskulturbeauftragtem, mit der die Wettbewerbsfähigkeit der Branche gestärkt werden soll. Insgesamt haben die rund 238.000 Unternehmen – ob Film, Musik, Design oder auch bildende Kunst – mehr als eine Million Beschäftigte. Allerdings liegt die Quote der Selbstständigen in diesem Bereich bei 28 Prozent.
Bundesweit sollen nun acht Regionalbüros die Vernetzung als Wirtschaftsfaktor befördern. Immerhin lag der Umsatz der Kulturbranche im Jahre 2008 bei 132 Milliarden Euro. Mit dem Dresdner Büro soll dem Kreativbereich in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt geholfen werden. Neben der Information über verschiedene Fördermöglichkeiten werden die Akteure der Branche in Netzwerke eingebunden, berichtet Katja Großer. „Dabei muss man nicht wie beim Bankentermin gleich einen Businessplan vorlegen.“ Ohnehin sei die Beratung kostenlos, versichert Christian Rost. Zur Zielgruppe der Beratungsoffensive gehören Architekten, Publizisten, darstellende Künstler, der Kunst- und Werbemarkt, ja sogar der Software- und Gamebereich – und teilweise das Kunsthandwerk.
Es soll dabei nicht um eine Kontrolle von Subventionen gehen, betont Katja Großer, sondern eher um eine bessere Vermarktung. „Ein Stadtentwicklungsplaner“, führt Christian Rost als Beispiel an, „kann seine Dienstleistungen größtenteils nur staatlich anbieten“. Auf regionaler Ebene soll es zunächst Sprechtage geben, darunter auch in Weimar und Erfurt. Darüber hinaus bestehen Kontakte zu dem von Dirk Heinze und Dirk Schütz bereits vor Jahren in Weimar gegründeten „Kultur Management Network“. Hearings zur Selbstdarstellung bestimmter Teilbranchen seien denkbar, geht aus einem entsprechenden Informationspapier des Bundeswirtschaftsministeriums hervor. Für Mitteldeutschland ist ein derartiges Treffen im Frühsommer in Leipzig vorgesehen. Während auf Bundesebene die Pflöcke eingeschlagen sind, tritt das Thüringer Wirtschaftsministerium auf der Stelle. Vor Wochen hatte Staatssekretär Jochen Staschewski (SPD) eine Umstrukturierung des Ministeriums bis Ostern angekündigt. Geplant ist dabei erstmals ein eigenes „Referat für Kunst- und Kreativwirtschaft“, das genau diesen Bereich künftig als Wirtschaftsfaktor betrachten will. Mit einer Zustandsanalyse soll zunächst der Status quo im Lande ermittelt werden. Viel mehr ist nicht bekannt. Entsprechende Interview-Anfragen zur strategischen Ausrichtung wurden vom Ministerium abgesagt.
Als Konkurrenz sieht Michaela Hirche, Geschäftsführerin des Thüringer Verbandes der Bildenden Künstler, die Initiativen von Bund und Land nicht. Im Gegenteil: „Denn der einzige bisher vorgelegte Kulturwirtschaftsbericht aus dem Jahre 2008 war überhaupt nicht aussagefähig.“ (Karsten Jauch)

TA, 20. März 2010
Mehr Informationen unter www.kultur-kreativ-wirtschaft.de