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Falk Elstermann ist Geschäftsführer im Kultur- und Kommunikationszentrum naTo e. V. in Leipzig. Er ist Sprecher der Initiative Leipzig+Kultur, die sich mit kreativen Mitteln und langem Atem seit 2001 um die Veränderung des Status quo in der kommunalen Kulturpolitik einsetzt. Im Interview erzählt er von der Romanze von Kultur und Kommunalpolitik, deren Stern hin und her irrt.

Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihren ersten Besuch im Auftrag der Kultur und der Freien Szene im Leipziger Rathaus zurückdenken?

Damals hatte ich jede Menge Ehrfurcht vor dem „hohen Hause“. Hinzu kamen klischeehafte Vorstellungen von „denen da oben“ und uns „da unten“. Dies ist sicher ein guter Nährboden für Feindbilder, jedoch nicht für den politischen Dialog. Was damals vollkommen fehlte, war eine Ahnung davon, auf welche Weise wir die Probleme, die uns auf den Nägeln brennen, in die Köpfe – im Idealfall auch in die Herzen – der Politiker bekommen können. Wir waren sehr unsicher.

Was war damals Ihr Anliegen?

Das unterschied sich nicht so sehr von dem aktuellen Anliegen meiner (kultur-)politischen Arbeit. Es ging darum, die Arbeitsbedingungen für freie Künstler und Kulturinitiativen zu verbessern. Die Haushaltsrunden endeten immer wieder mit deftigen Kürzungen bei der Freien Szene…

Wie stand es um die kulturpolitische Situation und die Freie Szene in Leipzig?

Grundsätzlich war Leipzig 2001/2002 noch sehr weit von einem klaren Bekenntnis zur „Kulturstadt“ entfernt. Zwar lag der Kulturetat auch damals schon bei ca. 10% des Gesamthaushaltes, aber Kultur als den die Stadt prägenden Bereich zu definieren, kam kaum einem Stadtrat in den Sinn. Somit stand zu Beginn eines jeden Gesprächs immer wieder die Grundsatzfrage: Wieso überhaupt Geld ausgeben für Kultur? Andere Felder seien viel wichtiger. Und überhaupt, was bringt Kultur eigentlich? Ganz klar, dass in einem solchen Rahmen kaum inhaltliche Diskussionen zu verschiedenen Kulturbegriffen, zu Förderkriterien, zu Betriebsformen in der Kulturarbeit und ähnlichen Themen geführt werden konnten.

Wie gestaltete sich die Kommunikation zwischen der Verwaltung, der Stadtpolitik und Ihnen als Vertreter der Freien Szene?

Wir waren auf die Rolle des Bittstellers reduziert. Von Verständigung auf Augenhöhe konnten wir nur träumen. Jedes Stück Kommunikation haben wir dem Rathaus abtrotzen müssen. So war der „Runde Tisch für Freie Kultur“ das erste Gremium überhaupt, in dem Vertreter der städtischen Verwaltung, des Stadtrates und der Freien Szene miteinander sprachen. Jedoch zeigt das schnelle „Entschlafen“ dieser Initiative nach nur 5 Sitzungen, dass hier eher einem öffentlichen Druck als einem inneren Drang nachgegeben wurde. Wahr ist aber auch, dass die Freie Szene damals bei weitem nicht so gut strukturiert und untereinander vernetzt war wie heute. Ein Gegenüber an den Tisch zu holen ist das eine, ihn dort zu halten und mit ihm eine Gesprächspartnerschaft aufzubauen, das andere. Das mussten wir erst lernen.

Warum haben Sie sich für künstlerische Protestformen entschieden?

Weil wir Künstler bzw. Kunstproduzenten sind und weil wir – ganz natürlich – an die Kraft der künstlerischen Überhöhung glauben. Weil wir mit der künstlerischen Form nicht nur die Vernunft des Menschen erreichen, sondern auch – wenn wir gut sind – sein Herz, seine Gefühle. Und das wirkt länger und stabiler. Trotzdem sind solche Aktionen immer wieder schwer zu stemmen, da ja alle Beteiligten aus dem vollen Betrieb ihrer überwiegend unterbesetzten Einrichtungen heraus handeln, nicht jeder der seelischen Belastung solcher zum Teil provozierenden Inszenierungen gewachsen ist und – ganz entscheidend – man einen sehr langen Atem braucht, über Monate bzw. Jahre hinweg die Politiker „bespielen“ muss, um Wirkung zu erzielen.

Geben Sie doch bitte einige Beispiele!

Zuerst vielleicht der „Weiße Januar“. Wir haben im gesamten Januar 2002 den Spielbetrieb in allen Häusern der Freien Szene eingestellt, um zu zeigen, wie arm das Leipziger Kulturleben wird, wenn wir kaputt gespart werden. Das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer druckte seinen Veranstaltungskalender mit weißen Feldern an den Stellen, die normalerweise durch unsere Veranstaltungen belegt gewesen wären – ein erschütterndes Bild.
Oder „Übergeht uns nicht länger“, schon im November 2001. Ca. 30 Akteure haben sich in weißen Anzügen in die obere Wandelhalle des Rathauses, den Politikern direkt in ihren Weg zum Plenarsaal gelegt. Wer zur Ratsversammlung wollte, musste über unsere Körper steigen. An der Galerie hing ein riesiges Transparent mit der Losung dieser Aktion. Die unmittelbaren emotionalen Reaktionen der Politiker waren unglaublich: von Entrüstung und Ablehnung bis zu regelrechter Erschütterung und tiefer Anteilnahme war alles vertreten.
Im Dezember 2007 haben wir den „Ersten Leipziger Kulturfriedhof“ auf einer Rasenfläche in der Innenstadt errichtet, nachdem wir in einer Prozession mit sieben von Leipziger Künstlern gestalteten Kreuzen, die jedes für ein dem Sparkurs zum Opfer gefallenes Kulturhaus oder Kulturprojekt standen, über den Weihnachtsmarkt gezogen sind. Am nächsten Tag waren die Bilder mit den Kreuzen auf dem Augustusplatz und unserem Banner vor der Thomaskirche in der Zeitung zu sehen. In der Folgewoche haben wir den Friedhof abgebaut, sind ins Rathaus gezogen und haben ihn während der Stadtratssitzung vor dem Plenarsaal in Form einer Mahnwache wiedererrichtet.

Welche Erfolge für die Freie Szene können Sie direkt auf die kreativen Aktionen zurückführen?

Wir wurden wahr genommen. In der Folge auch ernst. Wir lernten, unser Anliegen auch medial zu vermitteln und konnten somit auf die Unterstützung aus der Bevölkerung zählen. Da wir alle öffentlichkeitswirksamen Aktionen durch intensive Einzelgespräche mit Politikern bzw. entsprechende Auftritte im Fachausschuss Kultur begleiteten, blieben wir nicht auf der Ebene des Protestes hängen, sondern kamen – und das war ja unser Ziel – auch wirklich ernsthaft ins Gespräch.

Die kulturpolitische Situation in Leipzig hat sich seit 2007, nach „5 für Leipzig“ – einer Kampagne der Freien Szene – grundlegend geändert. Bitte beschreiben Sie die aktuellen Entwicklungen!

Der Paukenschlag erfolgte im September 2008, als der Stadtrat beschloss, dass die Zuschüsse für die Freie Szene bis zum Jahr 2013 schrittweise auf 5% vom Gesamtkulturetat anzuheben sind. Ein großer Erfolg! Doch das beschreibt nur zum Teil die Fortschritte, die wir gemacht haben. Ganz wesentlich für die Situation eines jeden Kulturschaffenden ist das klare Bekenntnis des Rathauses zur Kultur. Das ist die Basis. Hinzu kommt ein Kulturentwicklungsplan, der die bestehende Kulturlandschaft in ihrer ganzen Vielfalt aufgreift und Wege in die Zukunft weist. Von hoher Wichtigkeit ist die Ausweitung des kulturellen Netzwerkes, das sich in Leipzig über alle Bereiche – Hoch- wie Basiskultur – erstreckt. Dies war ein langer Weg, aber es ist essentiell wichtig, dass die Protagonisten einander kennen und schätzen lernen, einander mit Achtung begegnen und im Ernstfall auch beistehen.
Natürlich gibt es aber auch noch viel zu tun. Ein Trend, der den Stadtratsbeschluss regelrecht aushöhlt, ist es, zunehmend Einrichtungen aus dem Topf der Freien Szene zu bedienen, die bisher aus anderen Haushaltsstellen finanziert wurden. Das werden wir uns im Herbst 2009 vornehmen. Ein weiters Thema sind die Entwicklungskonzeptionen der einzelnen Sparten der Freien Szene. Trotzdem das Geld niemals für alle und zu hundert Prozent reichen wird, muss es möglich sein, die Kulturlandschaft zu gestalten und Entwicklungsschwerpunkte zu setzen. Dies wollen wir am neu gegründeten „Runden Tisch“ gemeinsam mit der Politik und der Verwaltung konzeptionell untersetzen.

Was denken Sie, wenn Sie hören, dass beispielsweise in Erfurt entgegen dem Leipziger Trend, 2009 10 % des Etats für die Freie Szene gekürzt wird?

Ich denke, ich sitze in einer Zeitmaschine.

Bitte beschreiben Sie die Bedeutung des kulturellen Netzwerks innerhalb der Freien Szene in Leipzig und auch bundesweit.

Das Wissen um den Nachbarn, um den Mitstreiter ist die Grundlage für die Achtung voreinander und das Bedürfnis zur Interaktion. Die Möglichkeiten, voneinander zu lernen, sind nahezu unbegrenzt. Das Zusammenwirken sowohl in der politischen als auch in der künstlerischen Arbeit ist zugleich Selbstvergewisserung und ständiger Kraftquell. Eine starke Gemeinschaft möglichst aller Kulturmacher einer Kommune, eines Landes usw. ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für deren politischen Erfolg.

Vielen Dank für das Gespräch und Bahn frei für 3,5 für Erfurt!

Interview: Maxi Kretzschmar

Die Global Space Odyssey ist eine Demo, ein Umzug, eine Parade, eine Party der verschiedenen Subkulturen in Leipzig. Ein Tag, an dem die wirklich, wirklich Freie Szene den Underground verlässt, zusammenschließt und der Welt mitteilt, wie sie wirklich, wirklich leben will. Zeig auch Du, wie Du wirklich, wirklich leben willst. Komm zur GSO! Mach mit! Verändere Deine Stadt! Heulen war gestern, heute ist Partyzipation angesagt, es geht um Geld oder Leben!

25. Juli 2009, Connewitz > Zentrum > Lindenau > Richard-Wagner-Hain
Mehr Informationen demnächst unter www.gso-le.de

Eine Tasche für Kultur

Mit einem Knopf wird sie verbunden und verbindet zudem zahlreiche Kunst- und Kulturköpfe der Freien Szene in Leipzig und Umgebung. tapac – ein alternatives Kulturfinanzierungs- und Netzwerkmodell – leistet dies. Erfunden wurde die Tabaktasche und das innovative Modell von Katharina Roeber, Ingenieurin für Verpackungstechnologie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig. Bereits 20 Galerien, Lesebühnen, Festivals und Literaturmagazine konnten im letzten Jahr mit insgesamt circa 1000,00 Euro unterstützt werden.

Katharina Roeber ist hauptberuflich als Dozentin an der HTWK tätig. Ihre Teilzeitbeschäftigung lässt das kleine Designunternehmen um die Tabaktaschen zu. Vorteilhaft ist zudem, dass ihr Brot erworben ist und keine Existenzen an dem Taschenprojekt hängen. So hat sie es sich immer gewünscht: Tagsüber Studierende zu neuen Verpackungstechniken animieren, in den verbleibenden Stunden mit engagierten Künstlern und Designern entwerfen, gestalten und ausprobieren.

Anfangs für den privaten Gebrauch genäht, entwickelten sich die funktional gestalteten Taschen schnell zu einem Lieblingsgegenstand im Freundeskreis. Es ist die Idee einer optimierten Tabaktasche, die garantiert individuell ist und in Handarbeit hergestellt wird. Das einfache Prinzip „Erst wickeln, dann drehen“ überzeugte zunehmend. Aber einfach verkaufen, um Geld zu verdienen, war nicht das Anliegen der jungen Frau und ihrem Kreativteam. Sie folgen der Theorie, wenn Menschen aus ihrem kulturellen Umfeld ihren Produkten so viel Interesse und Vertrauen entgegen bringen, sollte der Gewinn auch wieder zurückgegeben werden. Und so entstand die einfache Formel: 30 % zur Eigenfinanzierung des Unternehmens und 70% für Förderungen und Spenden zur Unterstützung kultureller Projekte im Leipziger Land. Auf unkommerzielle Art und Weise soll so eine Zusammenarbeit der Kulturarbeiter in den verschiedenen Bereichen realisiert werden. Junge Plakat- und Stoffgestalter, Buttondesigner und Modells, die für tapac arbeiten, erhalten die Möglichkeit sich der Öffentlichkeit zu präsentieren und ihre Ideen zu verwirklichen. Andererseits können mit ihrer Arbeit neue Projekte und Veranstaltungen der Partner sowohl finanziell als auch mit dem sich immer weiter verzweigendem Netzwerk unterstützt werden. Die Händler wiederum unterstützen das Anliegen des Taschenunternehmens, indem sie die Taschen in ihren alternativen Szeneläden anbieten, quasi nichts an dem Verkauf verdienen und so eine Kulturförderung entsteht, die erst durch das Zusammenarbeiten von tapac und lokalen Händler ermöglicht wird. tapac ist also ein wichtiger kultureller Multiplikator geworden.

Das entstandene Netzwerk um tapac, den Partnern und nicht zuletzt den Händlern ermöglichte 2007 erstmals die „Parade für Verrückte“ im Rahmen von Westpaket – ein alternativer Flohmarkt für Kunst, Design und Trödel mit kulturellem Rahmenprogramm im Leipziger Westen. Zahlreiche Hobby- und Profitrödler bieten Altes, Neues und Selbstgestaltetes an, Ausstellungen in Galerien und Konzerte unter freiem Himmel runden den Markt ab. Jeder kann mitmachen, mitkaufen und mitlachen. So auch Daniel Braun, Jungliterat der Stadt! Er zog gemeinsam mit 15 verkleideten Mimen singend und tanzend über den Markt. Mit französischen Chansons und Marschmusik, verrückten Ideen und ungewöhnlichen Figuren animierte die Gruppe Besucher zum Mitmachen, gemeinsamen Spiel und Spaß haben.

Projekte und Aktionen wie diese sind für Katharina Roeber die Quelle der Schöpfung und treiben das Unternehmen voran. Für die Zukunft ist der Ausbau der Produktpalette um Bücherhüllen und weitere Taschen mit neuen Gebrauchszwecken –auch für Nichtraucher- geplant. Unter dem Begriff pac_art will die alternative Kulturmäzenin Packungen des täglichen Gebrauchs künstlerisch gestalten und so noch mehr lokale Kulturnetzwerke unterstützen. Zwei Merkmale werden Bestand haben: 70% für Kultur, 30% für´s Unternehmen und der K(n)opf, der alles beisammen hält.

Die Taschen sind in ausgewählten Lieblingsläden in Leipzig, Dresden und Halle erhältlich.

Maxi Kretzschmar im Informationsdienst Soziokultur 3/08, Nr. 73