„Als Gewerk bezeichnet man handwerkliche und bautechnische Arbeiten im Bauwesen sowie historisch im Bergbau und dessen Umfeld.“ Danke, Wikipedia! Das passt nicht ganz auf das geWERK in Erfurt!
In der Landeshauptstadt ist das geWERK ein Verein zur Förderung eines zeitgenössischen Kunst. Da – wie wir wissen – Kunst von Können kommt, kann auch Kunst ein Handwerk sein: Künstler bauen Ideen, manchmal auch Häuser, um ihren Ideen ein Bild und vor allem Raum zu geben.
In der Rudolfstraße hinter dem Petersberg entsteht just in diesem Momente solch ein Künstlerhaus. Das heißt, das Haus ist da, die Idee dahinter entwickelt sich work in progress. In den 11 Ateliers wird gemalt und geschraubt, in der Druckwerkstatt entstehen Hoch- und Tiefdrucke, die in der hauseigenen Galerie der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Galerie ist Treffpunkt der Künstler und Ort des Austauschs. Neben den geWERK-Künstlern werden auch Künstler aus ganz Thüringen ausgestellt.
Zu Lesungen und Konzerten gibt es zarte Töne und zuweilen harte Worte auf die Ohren. Verschiedenheit hat hier ihren Platz und befruchtet sich wechselseitig: Handwerk und Kunst gehen nach bester Bauhausmanier (Weimar) bzw. Mittelaltermanier (Erfurt) Hand in Hand! Wilhelm Dietel, Theatermaler mit grafischen Schwerpunkt beschreibt den geWERK-Gedanken so: „Alles steht auf Anfang und das immer wieder.“
Dass die Künstler und Lebenskünstler unterschiedlichen Alters und Genres voneinander lernen, gemeinsame Sache machen und sich als Gemeinschaft verstehen, ist Anliegen von Gründungsmitglied Thomas Thyes. Er glaubt, dass die Generationen voneinander profitieren: die Jungen von der handwerklichen Perfektion und der Lebenserfahrung der Alten und die Alten von der Energie und Tatendrang der Jungen. Gemeinsam bleiben sie fit und arbeiten interdisziplinär mit Mitteln der Kunst, Musik, Literatur und Theater an ihren Projekten. Das erfordert eine hohe Toleranz von allen geWERKlern, ist es doch für viele ungewöhnlich eine Weihnachtsgala mit Kunstauktion zu erleben. Und wenn dazu eine Heavy-Matel-Band spielt, bedarf es Offenheit sowohl beim Publikum als auch bei den Künstlern. Die permanente Diskussion des Gezeigten unterstützt den gemeinsamen Entwicklungsprozess. Die kurzen Wege im Haus und im Netzwerk lassen diesen hohen Grad an Spontaneität zu und so können Veranstaltungen und Ausstellungen mit einem Zeitfenster von vier Wochen im Voroaus geplant werden. Dass dabei Qualität gewahrt bleibt, ist Christoph Schaffarzyk zu verdanken. Er ist jüngstes Vorstandsmitglied und zeichnet sich für das Ausstellungs- und Veranstaltungskonzept verantwortlich. Er ist es, der dem geWERK eine Verjüngungskur verpasst hat und seit ca. einem Jahr kontinuierlich das Profil erweitert und anreichert – gemeinsam wachsen, weiter geht´s!

Mehr Informationen unter www.gewerk-erfurt.de
Maxi Kretzschmar in hEFt – für literatur, stadt und alltag, Juli 2010

Projektideen kompetent verwirklichen mit dem Wissen aus Wirtschaft und gemeinnützigem Bereich: Wie das geht zeigt das Trainingsprogramm der Civil Academy, für das sich jetzt wieder freiwillig Engagierte zwischen 18 und 27 Jahren mit einer Projektidee bewerben können. Bewerbungsschluss ist Sonntag, der 18. Juli 2010. Eine fachkundige Jury wird die Auswahl treffen. Die drei Kompaktseminare des Programms zu Projektmanagement, Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit werden im September, Oktober und Dezember stattfinden. Die Projektideen, die dort bis zur Umsetzungsreife weiter entwickelt werden, können aus einem beliebigen Engagementbereich kommen, sei es Soziales, Bildung, Umwelt oder Kultur. Am Ende der Kurse gibt es ein Zertifikat.

Mehr Informationen unter www.civil-academy.de

Gisela Höhne ist eine kleine Frau. Sie grüßt mit festem Händedruck und strahlt mit ihrem Perlmutohrring um die Wette. Wir treffen uns im Café des Theaters RambaZamba. Malereien, Grafiken und Keramiken, die in den Werkstätten des Trägervereins Sonnenuhr e. V. entstanden sind, schmücken die Wände. Das Ensemble trudelt ein. Es wird gegessen und das Neueste ausgetauscht, bevor das tägliche Training und die Proben für die Abendaufführung beginnen.
Hier arbeitet Gisela Höhne. Gemeinsam mit ihrem Ensemble und ihrem Lebensgefährten, Klaus Erforth, hat sie in den letzten 20 Jahren „Deutschlands wichtigstes integratives Theater“ aufgebaut – das Besondere: Geistig Behinderte machen das Gros der Gruppe aus und sind dabei auf der Bühne so authentisch, dass sie Schauspieler ohne Handicap an die Wand spielen. Das fasziniert Gisela Höhne auch heute und sie weiß, dass diese schauspielerischen Fähigkeiten einzigartig sind. Wenn sie mit ihrem Ensemble probt, dann setzt sie auf die emotionale Intelligenz ihrer Bühnenkünstler, denn bei der Arbeit mit Behinderten werden Unklarheiten im Stück und den Regieanweisungen sofort entlarvt. Um sich einem Stoff zu nähern, lässt die Regisseurin zu Beginn freie Assoziationen – „Wildwuchs“ wie sie sagt – zu, um sich einen Überblick zu verschaffen und das Stück „aus den Schauspielern heraus“ zu entwickeln. Dann holt sie gärtnergleich das Beste aus den Spielern und die Inszenierung wächst. Ihre Erfahrungen als Schauspielerin helfen ihr dabei sehr: „Man kriecht besser rein.“ – sowohl in die Rollen als auch die Darsteller. Überhaupt ist Höhne eine absolute Praktikerin: Neben dem Leben auf der Bühne, hat sie die Arbeit hinter der Kamera und als Regisseurin beim Film kennen gelernt. Daneben hat sie studiert: Nach Verweigerung ihres Wunschstudienplatzes Psychologie wegen ideologischer Differenzen zur „Psychologie des Arbeiter- und Bauernstaates“ studierte sie Filmregie in Babelsberg, Schauspiel an der heutigen Ernst-Busch-Schauspielschule und Theaterwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin. Der praktischen Arbeit lässt sie dennoch den Vortritt. Und das ist gut so! Denn die Theaterarbeit fasst einerseits Höhnes Erfahrungen zusammen und ist so Ausdruck einer unerwarteten Kontinuität ihres Lebens, andererseits auch Arbeit, Broterwerb. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder, Moritz hat das Down-Syndrom, kehrte sie dem Theater vorerst den Rücken zu. Nach kurzer Zeit verhandelte sie ihre Erwartungen an Leben und Bühne neu und befand, dass sie die extreme Herausforderung annehmen und Menschen mit Behinderung ermöglichen will, mit ihrer Kunst gesehen zu werden. Dem inneren Kampf mit der Erfüllbarkeit der eigenen und fremden Erwartungen und Wertmaßstäben bot die Reaktion von Ensemble und Publikum schnell Einhalt – die Schauspieler berühren darüber, wie sie Geschichten erzählen. Heute kann das Theater auf 21 Produktionen, die in Berlin und über 100 Gastspielen in ganz Europa zu sehen sind, zahlreichen Workshops, Zirkusshows, Kunst- und Theaterfestivals zurück blicken.
Für die Schauspieler stellt das Spiel auf der Bühne laut Höhne einen Durchbruch dar – sowohl gesellschaftlich als auch für die Akteuere selbst. Von als defizitär wahrgenommenen Wesen entwickeln sie sich mit Betreten des Bühnenraums zu Personen des öffentlichen Lebens. Dabei ist Anschauen ausdrücklich erwünscht, denn die Schauspieler treten nicht umsonst vom Dunkel ins Licht. „Im Theater siehst du den Menschen, einen Besonderen, Gezeichneten.“ 2007 richtete der Verein geschützte Arbeitsplätze für die besonderen Theater- und Kulturschaffenden ein, seither ist die Zahl auf 30 angestiegen.
Die Schauspieler sind stolz, einen priviligierten Job zu haben, dabei wollen sie einfach nur Schauspieler sein, keine Stars. Gisela Höhne und ihre Ensemble sind sich einig: „Alle Rollen sind wichtig.“ – sowohl auf der Bühne des Theater als auch im Alltag. Das Publikum wiederum erlebt die Inszenierungen als Kunst statt Therapie. Die eigenen Vorurteile kollidieren mit dem Wahrgenommenen. Das Weltbild wird erschüttert und eine klassische Katharsis setzt beim Publikum ein. Höhne glaubt: „Wenn die Leute, besonders Kinder und Jugendliche unsere Stücke sehen, gehen sie später anders mit der eigenen Zukunft und ihren Kindern um.“ Damit begibt sie sich in die Tradition von Bertolt Brecht und setzt ganz auf die gesellschaftsbildende Kraft von Theater.
Wenn Höhne fragt „Was bedeutet Theater?“ dann meint sie „Was bedeutet Leben?“

Porträtiert wurde: Gisela Höhne, geb. 1949 in Thüringen
Schauspielerin und Mitbegründerin des Vereins Sonnenuhr e. V., für den sie seit 1991 als Regisseurin und künstlerische Leiterin tätig ist.
2009 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und zahlreiche weitere Auszeichnungen für ihre integrative Theaterarbeit.
Das Theater RambaZamba feiert am 1. September 2010 mit dem Friedens-Fest 20jähriges Jubläum. Wir gratulieren!

Maxi Kretzschmar in soziokultur 2/2010

Die Wiener machen´s vor:

Guerrilla kommt aus dem Spanischen und bedeutet ‚kleiner Krieg’. Auch wenn der Kampf der Gehsteig-Guerrilleros ein friedlicher ist, so ist es dennoch ein lautes Aufbegehren gegen bürokratische Hürden, unreflektierte Verhaltensgewohnheiten und ein Aufruf zu mehr Toleranz und Rücksichtnahme im öffentlichen Raum. Deshalb laden die Gehsteig-Guerrilleros am 28. Mai zum GehsteigFESTIVAL in der Großen Neugasse 6-8, um gemeinsam mit Freundinnen und Freunden das Potenzial unseres Stadtraums auszuloten und mit Nutzungen zu experimentieren.

So vieles ist möglich! Die Straße bleibt befahrbar, der Gehsteig begehbar und doch ist Raum für mehr. Der Asphalt wird zum Catwalk, die Parkplätze zu Spielplätzen und das Pflaster zu deiner Oase!

Serviervorschlag:
1. Nimm einen Sessel, oder irgendetwas, auf dem du dich wohl fühlst!
2. Geh raus und such dir einen schönen Platz am Gehsteig!
3. Sei rücksichtsvoll und lass ausreichend Platz für andere!
4. Genieße die Zeit im Freien und lerne Menschen aus der Umgebung kennen!
5. Mach deine Stadt zum Wohnzimmer!

Mehr Informationen unter www.facebook.com

Ach, wie schön!
Ein Kongress zum Fake mit den tollsten Referenten: Alf Thum, Alain Biber, Marc Amann und den Machern von Ubermorgen.com. Und dann auch noch in Leipzig: in der tollsten Mensa im Westwerk.

16. bis 18. April 2010
Mehr Informationen unter www.brimboria-kongress.net

Das geradezu simple Konzept geht auf: Günstige Mieten, wenig Bürokratie, ein hohes Maß an Eigenleistung und die Lage am Goetheplatz ziehen kreative Unternehmen in Weimars Zentrum. Seit Oktober 2009 wächst das kreative Ballungszentrum Kreativetage – ein Projekt des e-werk weimar e. V. – und bietet Jungunternehmen kostengünstige Bürostandorte.
Eines von ihnen ist das Designbüro Rugwind. Henriette Gruber, Karsten Guth und Nils Volkmann entwickeln nachhaltiges und soziales Design. Die Palette reicht von Ausstellungskonzepten, die über den Klimawandel aufklären, über die Gestaltung von Stadtmöbeln bis hin zu einem Softwarekonzept zur Bestimmung von Pflanzen auf dem Handy für Naturliebhaber und Stadtnomaden.
Gleich daneben hat der Illustrationsautomat ILLUMAT seine Heimstatt gefunden – wenn er nicht gerade auf Comic- und Skizzenfestivals, Stadtteilfesten und Buchmessen im Einsatz ist. Durch Einwerfen eines Coupons können sich Passanten etwas wünschen, das vom ILLUMAT in Minutenschnelle zeichnerisch umgesetzt wird. Die fertige Illustration wird vom Automaten ausgeworfen und kann nach Hause mitgenommen werden. Die Zeichenmaschine wurde 2007 von Illustrationsstudenten und -absolventen der Bauhaus-Universität gegründet.
Eine der Konstrukteure ist Rosa Linke. Sie hat Visuelle Kommunikation in Weimar und Belgien studiert. Seit 2008 ist sie Diplomdesignerin und illustriert für Magazine, gestaltet Bücher und ist als Freie Grafikerin auf der Kreativetage ansässig.
Der Thüringer Augenzeuge Johannes Romeyke arbeitet als Videojournalist. Er entwickelte vor drei Jahren das Videoportal der Thüringer Allgemeine Zeitung. Darüber hinaus plant und realisiert er mediale Installationen für Ausstellungen und Museen.
Eine Tür weiter ist das Grafiker-Team Olivia Vieweg und Michael Möller aktiv. Die Illustratorin Vieweg wurde vor allem mit ihren Katzenbüchern bekannt, Möller arbeitet für große deutsche Comicverlage und verlegt außerdem seit etwa zehn Jahren Independent-Comics in dem Kleinverlag Schwarzer Turm.
Am 16. April 2010, 13.00 Uhr öffnen alle 24 Nutzer der Kreativetage ihre Büros und Katja Schäfer und Christoph Schaffarzyk vom e-werk e. V. stellen das Konzept vor.

Kreativetage, Goetheplatz 9b, 99423 Weimar
Mehr Informationen unter kreativetage.blogspot.com

Maxi Kretzschmar im Rathauskurier Weimar 07 2010

Nach dem ersten Thüringer und bundesweit letztem Kulturwirtschaftsbericht, Wahlversprechen und zahlreichen Diskussionsrunden zwischen Politikern und Kreativen ist es Zeit, Licht und Lupe auf ein aktuelles Projekt zur Unterstützung von Kunst- und Kulturschaffenden in der Region zu richten – die Kreativetage am Weimarer Goetheplatz.

Die Produktdesigner von Rugwind sind die Neuen und beziehen den größten Arbeitsraum mit 30 qm. Sie wollen „im Netzwerk bleiben“, so Diplomdesignerin Henriette Gruber beim Malern. Gemeinsam mit ihren beiden Partnern entwickelt sie nachhaltiges Design. Dabei reicht die Palette von der Gestaltung von Stadtmöbeln über Ausstellungskonzepte, die über den Klimawandel aufklären, bis hin zu einem Softwarekonzept zur Bestimmung von Pflanzen auf dem Handy für Naturliebhaber und Stadtnomaden. Ihre Losung „Mitmenschlich, nachhaltig und erfinderisch!“ passt ebenso gut zu ihrem neuen Firmensitz.
Der kreative Ballungsraum bietet Unternehmen, Künstlern, Architekten, Filmschaffenden, Illustratoren, Verlagen, Grafik- und Produktdesignern kostengünstige Bürostandorte mitten im Zentrum Weimars. Und hierfür herrscht in Weimar dringender Bedarf!
In der Kreativetage wird der Netzwerkgedanke groß geschrieben. Die meisten Mieter kennen sich ohnehin über drei Ecken und haben nicht selten bereits gemeinsame Projekte realisiert. Dass nun die Existenzgründer für ihr Unternehmen die passenden Arbeitsräume und die kreative Klasse Weimars einen Ort gefunden hat, geht auf die Initiative des e-werk weimar e. V. zurück. Vereinsmitglied und Kulturarbeiterin Katja Schäfer wollte im vergangenem Bauhausjahr an Ort und Stelle ein Künstlerwohn- und Atelierprojekt starten, das einerseits Gäste während ihres Aufenthalts in der Kulturhauptstadt beherbergt und andererseits den Weimarer Kreativen Arbeitsraum bietet. Allerdings gab die Bauordnungsbehörde das Gebäude nur zu Arbeits- und nicht zu Wohnzwecken frei. Katja Schäfer entwickelte daraufhin das Konzept der Kreativetage. Diese Pläne stießen bei Till Hafner, Referent des Weimarer OB Stefan Wolf, auf offene Ohren. Schließlich gehört das Gebäude der Stadt und Hafner ist für Wirtschaftsförderung zuständig. Er sieht in dem Projekt Möglichkeiten, Unternehmerinnen und Unternehmern, die häufig direkt aus der Bauhaus-Universität in den Beruf starten, optimale Wachstumsbedingungen für ihre Vorhaben zu schaffen und das kreative Netzwerk zu stärken.
Das war im Herbst 2008. Es folgte die betriebswirtschaftliche Prüfung seitens der Verwaltung, Überzeugungsarbeit im Stadtrat und die Netzwerkarbeit seitens des Vereins. Im Oktober schließlich 2009 zogen die ersten Mieter ein und seit März 2010 ist auch der dritte Wachstumsschritt der Kreativetage vollzogen und alle freien Räume im Gebäude sind vergeben. Der Diplomkünstler Christoph Schaffarzyk, selbst Nutzer der „Zwischennutzungsagentur“, ist ständig als Ansprechpartner vor Ort, um zwischen Kommunalverwaltung und Nutzern zu vermitteln. Dass es ein Kulturschaffender ist, der sich um die Belange der Mieter kümmert, ist Hafner dabei besonders wichtig. Denn Niemand kennt die Belange der Mieter besser als Jemand, dessen Atelier in kreativer Nachbarschaft zu Rugwind und den anderen 23 Unternehmen, Klein- und Kleinstunternehmen liegt.

Das Wichtigste zum Schluss:
Miete 5,60 €/qm inkl. Nebenkosten und Internet
16 Räume mit 10 bis 30 qm und eine Teeküche
Kündigungsfrist: 2 Wochen
Tag der Offenen Tür am 16. April 2010, ab 13.00 Uhr

Mehr Informationen unter kreativetage.blogspot.com

Maxi Kretzschmar in hEFt für literatur, stadt und alltag, April 2010, Zeit für Übergangsjacken

Im Konflikt um neue Tarifverträge für Lehrer an den Mittelschulen und Gymnasien scheinen die Fronten verhärtet. Sachsens Regierung sah am Freitag keine Alternative zu einer Verlängerung der Teilzeitregelung für Pädagogen an Gymnasien und Mittelschulen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beharrte dagegen auf einer Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung ab 1. August dieses Jahres. Am Samstag wollen GEW und die Tarifkommission Schule in Leipzig über das weitere Vorgehen beraten. Am Montag stehen Gespräche im sächsischen Kultusministerium an. Parallel wollen vor dem Ministerium etwa 3000 Lehrer für ihre Belange demonstrieren.
Kultusminister Roland Wöller und Finanzminister Georg Unland (beide CDU) machten die Haltung der Regierung unmissverständlich deutlich. „Wir finanzieren mit Geld, das wir nicht haben, Stellen, die wir momentan nicht brauchen“, sagte Wöller. Wenn die bis zum 31. Juli geltende Teilzeitregelung nicht weiterlaufe, habe Sachsen über Nacht rund 2000 Lehrerstellen zu viel. „Das sind Stellen, die wir zur Unterrichtsabsicherung nicht brauchen.“ Bis zum Jahr 2014 würden sich die Kosten dafür auf bis zu 380 Millionen Euro summieren. „Wir brauchen die Solidarität der Lehrer, die im System sind, für eine begrenzte Zeit. Mir ist klar, dass wir einiges abverlangen.“
Wöller zufolge ist die Teilzeit eine notwendige Bedingung dafür, auch künftig junge Lehrer einzustellen. Der Altersdurchschnitt der Lehrerschaft liege schon heute bei jenseits der 50. Ziel der Sondierungsgespräche sei es, gemeinsam mit den Gewerkschaften in Verhandlungen über die Einstellung junger Lehrer zu kommen. Nach Aussagen Unlands wären ohne eine Lösung des Problems Änderungskündigungen die Folge. Dies wiederum würde nach Lage der Dinge wegen der Sozialauswahl vor allem junge Lehrer treffen. „Uns liegt überhaupt nichts an einer Konfrontation. Wir haben ein schwerwiegendes Problem für dieses Land zu lösen“, sagte Unland.
Der Sächsische Lehrerverband verwies darauf, dass die Zwangsteilzeit schon seit 1992 gilt. 18 Jahre lang hätten tausende Lehrer auf etwa 20 Prozent ihres Gehalts verzichtet. „Teilzeit- Lehrer zu sein, bedeutet jedoch in der Praxis, volle Arbeit für einen Teil des Gehalts zu leisten“, hieß es. Den Lehrern sei eine Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung zugesagt worden. Ähnlich argumentierte GEW- Chefin Sabine Gerold. Die Zeit des dramatischen Schülerrückganges sei vorbei und damit auch die Zeit der solidarischen Teilung von Arbeitsplätzen durch Verzicht. Der Lehrerberuf sei ein Vollzeitberuf. Dies müsse auch in Sachsen wieder Normalität werden.
Sachsen hatte das Problem zunächst auf freiwilliger Basis lösen wollen. Bei einer Befragung sprachen sich etwa die Hälfte der Lehrer für eine Teilzeit aus. Nach Berechnungen des Kultusministeriums bleiben dennoch 1000 nicht benötigte Lehrerstellen übrig. Für Unland ist das nur die Spitze des Eisberges. „Das ist nicht die einzige Baustelle für Sachsen. Wir sind in einem Transformationsprozess.“ In den kommenden zehn Jahren müsse sich Sachsen auf ein anderes Niveau einstellen. „Wir hoffen, möglichst viele mit ins Boot zu nehmen, um diesen Prozess gestalten zu können.“ (dpa)

LVZ, 26. März 2010

Klassenzusammenlegung, ausgesetzte Zensuren, wegfallende Förder- und Integrationsstunden, Parallelunterricht in unterschiedlichen Klassenstufen: Die aktuelle Situation an der Paul-Robeson-Grundschule im Leipziger Nordwesten ist dramatisch. Grund ist der durch Krankheit und andere objektive Umstände verursachte extreme Lehrermangel. Der Regionalstelle Leipzig der Sächsischen Bildungsagentur sind jedoch weitestgehend die Hände gebunden. Sie hat schlichtweg kaum noch Ersatz.
„Das ist doch sinnlose Beschäftigungstherapie, wenn teilweise eine dritte und ein vierte Klasse in zwei Räumen von einem Lehrer betreut werden“, sind Eltern mit den Zuständen in der Paul-Robeson-Grundschule unzufrieden. Und der Sportunterricht werde derzeit nur noch von nicht ausgebildeten Lehrern durchgeführt. „Hauptkritikpunkt ist aber, dass aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls von zwei Lehrerinnen die beiden ersten Klassen zusammengelegt wurden“, so die Eltern, die dagegen auch schon Unterschriften gesammelt haben. Für die Integrationsschüler fielen zudem die Förderstunden weg.
Roman Schulz, Sprecher der Bildungsagentur Leipzig, kennt das Problem: „Wir haben als Behörde eine bestimmte Stellenzuweisung, mit der wir regional die Schulen managen müssen.“ Im Grundschulbereich gebe es „praktisch keine Reserven“. Die Spielräume seien eng. „Wenn eine Einrichtung ein relativ kleines Kollegium hat, wie die Paul-Robeson-Grundschule, kann es bereits beim Ausfall von ein, zwei Lehrern eine extreme Situation geben.“ Man verfüge zwar grundsätzlich für Notfälle über ein Rettungssystem, das als ersten Schritt schulinterne Lösungen, dann die Einbeziehung von Lehrern benachbarter Grundschulen respektive als letzte Möglichkeit der Zugriff auf Lehrer anderer Schularten vorsieht, doch könne er den Ärger der Eltern bei Klassenzusammenlegungen oder abgeordneten Lehrern, die ständig wechseln, durchaus verstehen. Ähnliches habe es vor Weihnachten auch in der Zwenkauer Grundschule gegeben.
„Ziel ist es, nach den Osterferien alles abgesichert zu haben“, blickt der Mitarbeiter der Bildungsagentur voraus – wohl wissend, dass angesichts des offensichtlichen Lehrermangels im Freistaat gerade im Grundschulbereich, keine alle zufrieden stellenden Lösungen angeboten werden können. Konkret soll laut Schulz über Abordnungen von Lehrern „das Hauptgeschäft abgesichert“ werden. So bitter es auch sei, alles sei besser als Stundenausfall.
Ob die pädagogisch problematische Zusammenlegung der beiden ersten Klassen rückgängig gemacht werden kann, ist jedoch offen. Zunächst soll offenbar versucht werden, mit einem zeitgleich agierenden zweiten Lehrer in der 28 Schüler zählenden Ersten für eine Entspannung der Situation zu sorgen. „Wir sind nicht froh über den derzeitigen Status quo“, so Schulz. Doch sei es schwer, über befristete Anstellungen oder Jobs auf Honorarbasis entsprechendes Personal zu erhalten. (Martin Pelzl)

LVZ, 25. März 2010

Sowohl die Bundesregierung als auch das Thüringer Wirtschaftsministerium haben den Kulturbetrieb inzwischen als einen ökonomischen Wert entdeckt. Neue Berater sollen den freien Markt unterstützen. Der Start einschlägiger Initiativen verläuft aber sehr unterschiedlich.
„Wir sind nicht die Typen mit vollen Hosentaschen“, sagt Katja Großer. Und Christian Rost ergänzt: „Wir sehen uns eher als niederschwellige Ansprechpartner.“ Die beiden sind Kulturberater und leiten seit Februar von Dresden aus das nagelneue Regionalbüro der sogenannten Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft. Hinter dem bürokratischen Titel steht ein Projekt von Bundeswirtschaftsministerium und Bundeskulturbeauftragtem, mit der die Wettbewerbsfähigkeit der Branche gestärkt werden soll. Insgesamt haben die rund 238.000 Unternehmen – ob Film, Musik, Design oder auch bildende Kunst – mehr als eine Million Beschäftigte. Allerdings liegt die Quote der Selbstständigen in diesem Bereich bei 28 Prozent.
Bundesweit sollen nun acht Regionalbüros die Vernetzung als Wirtschaftsfaktor befördern. Immerhin lag der Umsatz der Kulturbranche im Jahre 2008 bei 132 Milliarden Euro. Mit dem Dresdner Büro soll dem Kreativbereich in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt geholfen werden. Neben der Information über verschiedene Fördermöglichkeiten werden die Akteure der Branche in Netzwerke eingebunden, berichtet Katja Großer. „Dabei muss man nicht wie beim Bankentermin gleich einen Businessplan vorlegen.“ Ohnehin sei die Beratung kostenlos, versichert Christian Rost. Zur Zielgruppe der Beratungsoffensive gehören Architekten, Publizisten, darstellende Künstler, der Kunst- und Werbemarkt, ja sogar der Software- und Gamebereich – und teilweise das Kunsthandwerk.
Es soll dabei nicht um eine Kontrolle von Subventionen gehen, betont Katja Großer, sondern eher um eine bessere Vermarktung. „Ein Stadtentwicklungsplaner“, führt Christian Rost als Beispiel an, „kann seine Dienstleistungen größtenteils nur staatlich anbieten“. Auf regionaler Ebene soll es zunächst Sprechtage geben, darunter auch in Weimar und Erfurt. Darüber hinaus bestehen Kontakte zu dem von Dirk Heinze und Dirk Schütz bereits vor Jahren in Weimar gegründeten „Kultur Management Network“. Hearings zur Selbstdarstellung bestimmter Teilbranchen seien denkbar, geht aus einem entsprechenden Informationspapier des Bundeswirtschaftsministeriums hervor. Für Mitteldeutschland ist ein derartiges Treffen im Frühsommer in Leipzig vorgesehen. Während auf Bundesebene die Pflöcke eingeschlagen sind, tritt das Thüringer Wirtschaftsministerium auf der Stelle. Vor Wochen hatte Staatssekretär Jochen Staschewski (SPD) eine Umstrukturierung des Ministeriums bis Ostern angekündigt. Geplant ist dabei erstmals ein eigenes „Referat für Kunst- und Kreativwirtschaft“, das genau diesen Bereich künftig als Wirtschaftsfaktor betrachten will. Mit einer Zustandsanalyse soll zunächst der Status quo im Lande ermittelt werden. Viel mehr ist nicht bekannt. Entsprechende Interview-Anfragen zur strategischen Ausrichtung wurden vom Ministerium abgesagt.
Als Konkurrenz sieht Michaela Hirche, Geschäftsführerin des Thüringer Verbandes der Bildenden Künstler, die Initiativen von Bund und Land nicht. Im Gegenteil: „Denn der einzige bisher vorgelegte Kulturwirtschaftsbericht aus dem Jahre 2008 war überhaupt nicht aussagefähig.“ (Karsten Jauch)

TA, 20. März 2010
Mehr Informationen unter www.kultur-kreativ-wirtschaft.de