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Der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Martin Roth, sieht die Kultureinrichtungen in Deutschland durch die Finanzkrise bedroht. „Kultur ist das einzige, das die Gesellschaft in Krisenzeiten zusammenhält. Dies umso mehr vor dem Hintergrund einer schwierigen demografischen Entwicklung“, sagte er am 26. Februar in einem Interview. Deshalb sei es wichtig, gerade jetzt, die Frage nach mehr Investitionen in Kunst und Kultur zu stellen. Dabei müssten die Museen selbst Initiative zeigen und die öffentliche Hand davon überzeugen, wie wichtig die Förderung von Kunst und Kultur ist. „Hier ist das Geld besser angelegt als in einem Fonds.“
Nichts sei so erfolgreich wie die Museen. „Trotzdem sind gerade die freiwilligen Ausgaben stets als erstes von Kürzungen bedroht“, so Roth. Den Bestand der Dresdner Kunstsammlungen sieht er im 450. Jahr ihres Bestehens zwar nicht gefährdet, aber vor der Einrichtung lägen schwierige Zeiten. „Dabei sind die Stellenzahlen schon jetzt jenseits des Zulässigen, unsere Mitarbeiter beuten sich selbst aus.“ Diese arbeiteten mit großem Engagement über die vorgeschriebenen Stunden hinaus. „Da gibt es kein Einsparpotenzial mehr, da gibt es nichts mehr zu holen.“ Es bestehe die Gefahr, dass aufgrund des radikalen Stellenstopps Fachwissen und die notwendige Kompetenz verloren gingen. „Der Abbau darf nicht in einen Verlust an Kultur münden“, warnte Roth.
„Panikmache ist allerdings fehl am Platze, dringend erforderlich sind kluge und besonnene Konzepte.“ Roth hofft daher, dass die Museen des Verbundes in den nächsten Jahren noch mehr Bildungs- und Wissenschaftsarbeit leisten können. Die Kunstsammlungen müssten als europäische Institution betrachtet und entsprechend gefördert werden. „Ich würde mir wünschen, dass auch die Finanzpolitiker in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verstehen, wie wichtig es ist, durch Kultur und Kunst der Bevölkerung Halt zu geben.“
Er könne sich zudem vorstellen, dass sich Institutionen, die unmittelbar von den hervorragenden Kulturangeboten profitierten, mittelfristig an der Finanzierung von Kultur beteiligten. „Da sind große Wirtschaftsunternehmen genauso gefragt wie etwa Hotels oder Restaurants“, so Roth. (Simona Block)

LVZ, 25. Februar 2010

Ein Manifest?

„In den letzten Jahrzehnten wurde wir daran gewöhnt, an die Doktrin „Mehr privat, weniger Staat“ zu glauben. In jüngster Zeit jedoch lauten die Forderungen der Privatwirtschaft gerade umgekehrt: mehr Staat und weniger privat. Die so genannte Krise hat nämlich offen gelegt, dass die Rede vom „freien Markt“ immer nur ein Gefasel war. In Wirklichkeit wurde die Privatwirtschaft vom Staat durch Subventionen, Steuernachlässe, Exportförderung etc. finanziell in hohem Maß gestützt.

Nun sind aber die Ausmaße der Verschuldung der Banken und Privatwirtschaft so enorm, dass sich der private Wirtschaftssektor in aller Öffentlichkeit subventionieren lassen muss. Dies ist der historische Augenblick, in dem die Kultur stolz ihr Haupt erheben kann. Ihr wurde immer vorgeworfen, sie sei ein schwarzes Loch der Subvention. Nun lesen wir täglich in den Zeitungen über die wahren schwarzen Löcher, nämlich die Banken, in denen pro Quartal Milliarden versinken. Deshalb ist es an der Zeit, darauf hinzuweisen, dass bei der wirtschaftlichen Funktion der Kultur Wahrnehmung und Wirklichkeit weit auseinander klaffen. Auf Bundesebene sind die Kreativen mit einem Umsatz von 132 Milliarden Euro in der Liga der klassischen Industriesektoren angekommen. Etwa eine Million Beschäftigte arbeitet bundesweit in dieser Branche. Die Brutto-Wertschöpfung in Deutschland liegt bei 63 Milliarden Euro.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein Innovationsmotor. Dort geht es nicht um einige Großkonzerne wie in der Automobilindustrie, sondern um kleinste, kleine und mittlere Unternehmen, die zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaften. Eine Schwächung dieser Branche würde daher viel mehr Arbeitslose freisetzen als in der Automobil- und Bankenindustrie. Es darf nicht sein, dass im Jahr 2010 in der Kultur eingespart wird, was die Banken unter den Augen der Politik rücksichtslos verspielt haben. Deshalb fordere ich, dass die Museen für ihre vielfältigen Aufgaben mindestens zehn Prozent jener Summe erhalten, die für die Rettung der Banken und angeschlagener Großbetriebe ausgegeben werden. Wenn die Bundesregierung 100 Milliarden Eurd für den „Wirtschaftsfonds Deutschland“ zur Verfügung stellt, ist es wohl zulässig, den Anspruch zu formulieren, zehn Milliarden Euro davon stünden auch der Kultur- und Kreativwirtschaft zu. Ansonsten haben wir es mit einer heuchlerischen Doppelmoral zu tun und mit einer Wettbewerbsverzerrung, die der Beginn einer neuen Barbarei ist.“

Peter Weibel. Der Autor ist Direktor des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe. (veröffentlicht in: Kunstzeitung Juni 2009)